2015/11/07

MEINE THERAPIE: MAMA-SEIN

Ich erzähle euch heute etwas, das ich noch nie jemandem erzählt habe. Meine komplette Schwangerschaft durch (und ab und an sogar jetzt noch) dachte ich, dass ich eine ziemliche Hexen-Mama werde. Warum? Weil ich furchtbar viele schlechte Eigenschaften habe. Wirklich. Im Laufe der Jahre sind mir mehr und mehr Dinge an mir aufgefallen, die ich bei anderen ziemlich zum Kotzen finde. Ich bin zum Beispiel unglaublich ungeduldig. Ich verfluche regelmäßig meinen Netzbetreiber, wenn der Verbindungsaufbau nicht sofort funktioniert, drücke bei einem Aufzug tausendmal auf den Knopf (ist ja allgemein bekannt, dass er dann schneller kommt) oder recke in der Schlange bei der Post ständig den Kopf und murmel "das dauert aber lange", "wer steht denn da vorne?" oder "was ist denn da schon wieder los" vor mich hin. Sympathisch oder?



Mh, was noch... Achja, ich bin auch noch aufbrausend. Ab und an zwar nur, dann aber richtig. Ich nenne das immer leidenschaftlich, aber im Grunde trifft es cholerisch wohl ein wenig besser. Wenn ich genervt bin und dann noch dazu irgendetwas nicht so läuft, wie es soll, kann es schon einmal vorkommen, dass ich explodiere. Ich schaffe es inzwischen zwar immerhin die Detonation nur im Inneren zu vollziehen aber da zischt und pufft und knistert es dafür umso stärker. Manchmal  ist es sogar so schlimm, dass ich befürchte mein Auge würde irre zucken, wenn mich mal wieder ein Wutausbruch packt.
Am unangenehmsten und stressigsten finde ich allerdings den Drang mich in allem, was ich tue und bin, mit anderen zu vergleichen. Das fing in der Schule an und zieht sich bis heute durch. Furchtbar, sag ich euch! Ich liebe unsere Wohnung zum Beispiel sehr. Ein perfektes kleines Traumschloss für unsere kleine Familie. Wenn ich aber andere Wohnungen sehe, die auch schön sind, habe ich sofort einen Kloß im Hals und streiche im Kopf sämtliche Wände neu oder durchstöbere sogar schon neue Wohnungsanzeigen. Völlig bescheuert. Das ist so ein fieses subjektiv-objektiv-Ding, das mich einfach nicht loslässt. "Die hat aber tolle Haare", "oh mann, ich wünschte ich wäre so gebildet wie du" oder "Jaaaaaa, das hätte ich auch gerne" sind feste Bestandteile meines Vokabulars. Das nervt! Mich am meisten.

Ja, jetzt kennt ihr sie, die Abgründe meines Charakters. Ich war mir ziemlich sicher, dass sich genau diese fiesen Eigenschaften absolut überhaupt gar kein klitzekleines bisschen mit meinem Dasein als Mutter vereinbaren lassen. Ich meine Babys machen in die Windel, wenn du gerade wirklich keine Zeit hast zu wechseln. Sie kotzen deinen Pullover voll, wenn du ihn gerade erst angezogen hast. Und nichts ist schlimmer als diese Helikopter-Mamas, die den ganzen Tag vergleichen welches Baby wann was gemacht hat. "Meiner konnte ja mit vier Monaten schon sitzen. Wie macht deiner das denn so?" HORROR!
Ihr versteht jetzt also, weswegen ich mir ziemlich sicher war die furchtbarste Mama der Welt zu werden? Ich war charakterlich einfach ziemlich mies vorbelastet...
Und wisst ihr was? Ist natürlich alles völliger Schmarrn. Im Gegenteil, Mama-Sein ist die beste Therapie, die mir passieren konnte. Wenn das Erbschen mal wieder Stunden braucht um einzuschlafen, schau ich ihr dabei zu, schunkel sie von rechts nach links und erfreue mich unseres Daseins. Vielleicht erfreue ich mich tatsächlich noch ein bisschen mehr als andere Mamas, immerhin überwinde ich gleichzeitig eine meiner größten Schwächen. Ich, Fräulein Ungeduld, tätschel stundenlang ein kleines Baby, nur damit es endlich die Äuglein schließt - völlig unglaublich. Meine Explosionen gibt es noch, allerdings jetzt positiver Natur. Durchgekackte Windel, Body völlig eingesaut und in 10 Minuten an einem 30 Minuten entfernten Ort verabredet? Löse ich nun mit Lachanfällen. Ich amüsiere mich wirklich darüber, dass Erbschen offensichtlich ein Gespür dafür hat in den unpassendsten Situationen für noch mehr Katastrophen zu sorgen. Einfach ein wirklich spezielles Kind.

Am allertollsten ist aber die Tatsache, dass ich grundzufrieden bin mit allem was sie tut, macht, denkt (ich kann nämlich ihre Gedanken lesen, glaube ich zumindest) und lernt. Oskar kann schon krabbeln und sich hochziehen und all das, obwohl er nur 4 Monate älter ist? Toll, wirklich. Ich freue mich so sehr für Oskar. Ehrlich. Der macht das super. Meine Kleine kann das auch 4 Monte später nicht? Ach, ist mir gar nicht aufgefallen, weil schau mal wie süß sie lacht... Irgendwann wird sie es schon lernen. Und so lange freue ich mich darüber, dass sie greift, wie sie schläft, wie oft sie sich übergibt und jedes Mal aufs Neue darüber, dass sie lacht. Diese Genügsamkeit ist eine Sache, die ich so an mir noch nie erlebt habe und es ist so unglaublich erfrischend. Bitte, bitte, liebes Inner-Me, nimm dir ein Beispiel an dem Mama-Me und hör, verdammt nochmal, auf damit dich und deine Fähigkeiten ständig mit anderen zu vergleichen. Wir sind alle unterschiedlich und das ist auch gut so!

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