Es ist wie es ist: seit ich Mutter bin, hat meine Angst ein ganz neues Level erreicht. Und das obwohl ich mich selbst nicht zu den überbesorgten Helikopter-Mamas zählen würde. Aber eine so tiefe, große Liebe geht bei mir Hand in Hand mit der riesigen Angst davor all dieses Glück mit einem Schlag zu verlieren. Ich schätze mal, dass das ein ganz natürlicher Vorgang ist, so eine Art Reflex, um das Überleben des kleinen Erdenbürgers sicherzustellen. Trotzdem fühle ich mich ab und an wirklich bescheuert.
Vor einigen Wochen beispielsweise fuhr mein Freund zum Training. Ich war also einen Abend alleine mit der Erbse. Das haben wir schon ganz oft gemacht und irgendwie freue ich mich ab und an auf diese Mädels-Zweisamkeit. An diesem Abend jedoch fing Erbse an zu schreien. Und zwar höllisch! Ich versuchte zunächst sie mit den herkömmlichen Schuckel-Techniken zu beruhigen, sie zu streicheln und lieb auf sie einzureden, als aber nichts davon zu funktionieren schien, bot ich ihr die Wunderwaffe an: meine Brust. Als selbst das keinerlei Wirkung zeigte und sich das Geschrei in regelrechtes Gebrüll verwandelte, kapitulierte ich und fing selbst an zu heulen. Man muss dazu sagen, dass Erbse nie brüllt. Nur, wenn etwas wirklich, wirklich schlimm ist. Sie hat beispielsweise in ihrer ersten Nacht auf Erden gebrüllt, weil sie nichts, nada, niente im Magen hatte und Mamas Busen noch nichts ordentliches produzieren konnte. Oder einmal, als sie absolut keinen Ticken Luft durch ihr kleines Näschen bekam. Aber das war es auch schon. Ansonsten hatten wir noch keinen Brüll-Zwischenfall zu vermelden. Ich war also nicht nur mit den Nerven am Ende, sondern noch dazu völlig ratlos, mit den düstersten Gedanken im Kopf.
Heulend rief ich meinen Freund an und schilderte ihm in den blumigsten Satzkreationen, was alles Schlimmes mit unserer Tochter passieren könnte, wenn er nicht sofort nach Hause käme, um ihr das Leben zu retten. Währenddessen brüllte Erbse im Hintergrund, um die Ängste ihrer Mama zu unterstreichen. Mein Freund, der ab und an zu den rationalsten und wortkargsten Menschen der Welt gehört, spulte einfach eine schlichte Frageliste runter: 1. Hatte sie gegessen? 2. Bekam sie Luft? 3. Ausreichend Schlaf? 4. Fieber? 5. Nähe? Jaja, natürlich, und ja sie konnte atmen, keine Ahnung, ob sie müde war... KOMM VERDAMMT NOCHMAL EINFACH HER, WENN SIE INS KRANKENHAUS MUSS, STEH ICH HIER OHNE AUTO! Mein Freund drehte um und steuerte genervt von seiner panischen Freundin gen Heimat. Just in dem Moment hörte Erbse auf zu schreien.
Im Nachhinein habe ich wahrscheinlich wirklich ein wenig überreagiert. Babies schreien nun mal. Aber sich aus dem festen Griff dieser Mama-Angst zu befreien, gelingt mir eher selten. Kürzlich wachte ich sogar schweißgebadet und mit Tränen in den Augen auf. Grund dafür war der mieseste Albtraum, den ich jemals hatte: Realitätsnah setzte mein Freund mich vor einem Haus an einem zugefrorenen See ab und fuhr, mit der Kleinen im Kindersitz, weiter. Als das Auto gerade um's Eck fahren wollte, kam es ins Schlittern und überschlug sich. Mein Herz setzte aus! Ich rannte zur Unfallstelle und fand meine kleine Erbse nur apathisch und blutüberströmt, in einer eiskalten Pfütze liegend. Die Erinnerung an diesen - wenn auch imaginären - Anblick treibt mir noch heute Tränen in die Augen.
Die Welt beherbergt so viele Gefahren, deren Schreckhaftigkeit ich mir vor meinem Mama-Dasein überhaupt nicht bewusst war. Erst jetzt ist Glatteis der Endfeind einer jeden Autofahrt, erst jetzt hat Fieber etwas lebensbedrohliches, anstatt Teil eines kleinen Infekts zu sein und erst jetzt verstehe ich den Standard-Satz meiner eigenen Mutter so richtig: "Pass auf dich auf." Aufpassen ist mein neues größtes Hobby und ich bete zu Gott, dass ich das in einem angemessenen und nicht zu übertrieben paranoiden Rahmen schaffe. Falls ich aber doch einmal über die Stränge schlagen sollte, bin ich froh meinen Freund, den Rationalisten, zu haben: zusammen ergeben wir einen normal besorgten Menschen, glaube ich.
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